Unternehmen brüsten sich während der Krise mit hoher und erfolgreicher Homeoffice-Quote und propagieren die damit eher zufällig einhergehende Umsetzung des Megatrends „New Work“. Wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille. Der Versuch einer differenzierten Betrachtung.
Als der Gesetzgeber Unternehmen auffordert, Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, sofern dem im Hinblick auf die Arbeit nichts im Wege steht, spaltet sich die Unternehmer-Nation. Unternehmen wie beispielsweise Software-Start-ups, Online-Agenturen und Unternehmen aus IT und TK, die in der Zusammenarbeit über Plattformen gegründet wurden, sind mit der Technik vertraut und professionalisieren diese Art der kollaborierten Arbeit sukzessive weiter. Dagegen stellen andere Unternehmen fest, dass sie auf diese Veränderung gar nicht oder nur unzureichend vorbereitet sind – Hardware, Software und Telekommunikation muss angeschafft, installiert und geschult werden – in kürzester Zeit. Rückblickend ist, wie bei der Entwicklung eines Impfstoffes, festzustellen, dass sich viele Unternehmen weiterentwickelt und die technischen Hürden gemeistert haben. Das ist die erfreuliche Nachricht.
Es gibt Unternehmen, die bereits vor Beginn der Krise (02/2020) einen hohen Anteil ihrer Arbeitnehmer*innen im Homeoffice haben arbeiten lassen. Intrinsisch motiviert. Und dann gibt es Unternehmen, die mitunter aus Schutz vor Quarantäne im Krankheitsfall aus der Not eine Tugend gemacht und mit Stolz verkünden, dass 100% ihrer Mitarbeiter im Homeoffice sind und das Unternehmen damit „agil“, „zukunftsfähig“, „attraktiv“ sei und dem Megatrend „New Work“ etabliert hätten.
Vereinsamung vs. Flexibilität
Abgesehen davon, dass allein lebende Menschen durch die verhängten Ausgangssperren emotional vereinsamen, ist mit fortschreitender Zeit zu erkennen, dass sich das auch auf Mitarbeiter auswirken kann, die (allein) im Homeoffice arbeiten.
Ich beneide Sie, dass Sie im Büro arbeiten.
Das Zitat ist selbstverständlich nur eine Momentaufnahme und eine Einzelmeinung. Und zugleich zeigt sie die Kehrseite einer Medaille, die in den letzten Monaten nur eine Seite zu haben schien. Alles schön. Weniger Fahrzeit. Weniger Stau. Kaffee Zuhause. Zusammensein mit der Familie. Mehr Effizienz. Mehr Produktivität. Da stellt sich doch die Frage: Warum sind wir nicht schon früher darauf gekommen?
Einige mehr oder weniger repräsentative Fakten zum Homeoffice aus 2020/2021
Wichtig dabei erscheint, dass derzeit noch keine umfangreichen „Langzeitergebnisse“ in Studien vorliegen, die die anfängliche Euphorie der Homeoffice-Arbeiter beleuchten.
- 65% der Arbeitnehmer arbeiten lieber Zuhause als im Büro (Quelle 1)
- 42% empfinden die Arbeit im Homeoffice anstrengender als im Büro (Quelle 1)
- 60% empfinden geringeren Druck im Homeoffice also im Büro (Quelle 1)
- 41% meinen zu erfahren, dass Arbeitnehmer im Homeoffice weniger Karriere machen (Quelle 1)
- 37% der „Corona-Homeworker“ verfügen Zuhause über ein eigenes Arbeitszimmer – 63% müssen täglich improvisieren (Quelle 1)
- 46% der erfahrenen Homeoffice-Kollegen verfügen über ein eigenes Arbeitszimmer (Quelle 1)
- 25% geben an, bereits vier Wochen nach Beginn der Corona-Krise an Gewicht zugenommen zu haben (Quelle 2)
- 27% der Erwachsenen nahmen zu (Quelle 3)
- 36% mit Bürojob möchten künftig mindestens die Hälfte der Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten (Quelle 4)
- 77% geben an, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Quelle 5)
- 60% glauben, die Arbeit daheim sogar effektiver organisieren zu können als im Betrieb (Quelle 5)
- 60% mit Homeoffice-Nutzung haben den Eindruck, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen (Quelle 5)
- 60% der Zeit wenden die Befragten für Arbeit auf, die nicht direkt mit einem Projekt oder einer Aufgabe zu tun hat (Quelle 6)
- 3,5 Stunden pro Woche werden für unnötige Besprechungen aufgewendet (Quelle 6)
- 60% fühlten sich im vergangenen Jahr (2020) dem Burn-out nahe (Quelle 6)
Unberücksichtigt bleibt – wie einleitend erwähnt – dass die meisten Daten kurz nach Beginn der Krise bis zum Dezember 2020 erhoben wurden. Blickt man auf die Stimmung in Deutschland, könnte diese anfängliche Euphorie einer Ernüchterung und dem Wunsch nach mehr physischer Nähe gewichen sein.
Die Zahl der E-Mails ist 2020 im Vergleich zu 2019 (knapp 1 Billion) um 40% (= 400 Mrd.) in Deutschland gestiegen = 378.000 Arbeitnehmer könnten täglich 8 Stunden 1 Jahr lang E-Mails schreiben
Die Überschlagsrechnung: Annehmend, dass vielleicht 90% dieses Anstieges in Spam und Newsletter begründet wären, blieben 10% zusätzlich geschriebene E-Mails. Was bedeutete dies in Summe, wenn jeder Verfasser das 10-Finger-Schreiben beherrschte und in diesem Falle mindestens 1 Minute für eine E-Mail benötigte? 40 Mrd. x 1 Min. = 40.000.000.000 Minuten = 667 Mio. Std. = 83 Mio. Arbeitstage à 8 Std. = 378.000 Arbeitnehmer, die 1 Jahr lang, 8 Std. täglich, an 220 Arbeitstagen E-Mails schreiben.
Und obige Rechnung erscheint lächerlich, denn es scheint unrealistisch, dass jemand in 1 Minute
- das E-Mail-Programm findet, startet, eine neue E-Mail öffnet
- Empfänger auswählt
- Betreff einsetzt
- einen richtigen, sinnvollen und pointierten Text formuliert
- mögliche Anhänge heraussucht
- absendet
Aus Erhebungen ist zudem bekannt, dass jede Handlung einen bestimmten Vor- und Nachlauf hat. Meint: wenn jemand an etwas arbeitet, von einem Telefonat unterbrochen wird, nach dem Telefonat sich wieder der anfänglichen Arbeit widmet, so „verliert“ diese Person zwischen 5 und 15 Minuten zusätzlich, durch Konzentrationsverlust, Fokus, Flow etc.
Ist ein Zoom-Meeting auch Teamwork?
„Ja, klar!“, sagen die Verfechter des Homeoffice. „Ja, ein stückweit.“, antworten die, die schon länger im Homeoffice arbeiten und „Nein, sicher nicht.“, diejenigen, denen bereits nach wenigen Wochen und Monaten die sprichwörtliche Decke auf den Kopf fällt.
Die elementare Frage für Unternehmen: Ist neben der gestiegenen (anfänglichen) Zufriedenheit für die Mitarbeiter auch Produktivität für die Unternehmen konstant geblieben oder gar gestiegen?
Auf diese Frage gibt es noch keine abschließenden Antworten. Die Frage ist dabei auch, ob es diese jemals geben wird. Denn entgegen dem Fließbandarbeiter, dessen Arbeit sich takten, messen und aufgrund von Wiederholungen nach hinten und vorn berechnen lässt, sind Aufgaben in Dienstleistungsunternehmen häufig weniger griffig. Durchschnittswerte für Projekte, Vorgänge oder Aufträge sind rar und Hochrechnungen daher schwierig.
Faktoren, die eine Beurteilung berechenbarer machen können
- Kommunikationszeiten für E-Mails, Termine, Meetings etc.
- Fahrtaufwendungen, Kfz-Kosten
- Produktivität
- Mieten (auch für Mitarbeiter im Homeoffice)
- Telekommunikations- und IT-Kosten
- gefühlte Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern
- tatsächliche Gesundheit (Krankheitstage)
- Know-how Transfer
- Weiterentwicklung
- u.v.m.
Ich wage nicht von mir zu behaupten, dass ich im Vergleich im Homeoffice so konzentriert oder engagiert war wie im Büro.
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Die Vorteile der Arbeit in Werbeagenturen – was sagen Stellenausschreibungen, das Web oder die Berufsberatung?
Das, was Werbeagenturen für Mitarbeiter/innen über Jahre und Jahrzehnte attraktiv gemacht hat, scheint nicht mehr ausschließlich zu gelten. Teamwork, Kickerspiele, Flipchart/Whiteboard, Kreativitätstechniken, Ausdrucke und Skizzen an Wänden, das gemeinsame Essen in der Agenturküche oder der kurze Quatsch an der Kaffeemaschine sowie sagenumwobene Meetings, in denen die größten Ideen erfunden werden, können auch online über Plattformen realisiert werden. Mit gleichen oder sogar besseren Ergebnissen für Auftraggeber, Agentur und Mitarbeiter?
My Homeoffice is my castle – eine differenzierte Betrachtung
Zuhause ist’s am schönsten! Was wie eine Binsenweisheit klingt, trifft längst nicht für jeden zu. Wer im Dorf im Einfamilienhaus mit 8 Zimmern, einem Büroraum, Glasfaser-Anschluss und Garten wohnt blickt auf gänzlich andere Umstände als der, der in einer Großstadt wie Leipzig zu viert in einer 3-Zimmer-Wohnung im 5. Stock wohnt. Kein Büro, kein Glasfaser … keine Ruhe. Dieser Umstand wird und wurde nur selten in der Diskussion um das Homeoffice beleuchtet. Während der eine sich also über das Homeoffice freut und mittags im Garten liegt, zugleich noch die Wäsche macht wünscht sich der andere vielleicht nichts sehnlicher als eine offene Kita für die Kinder und einen perfekt eingerichteten Arbeitsplatz.
Wir werden nicht umhin kommen, zu beobachten und auszuprobieren. Am Ende geht es um das Wohl der Auftraggeber und der Auftragnehmer geht … also immer um das Wohl der Menschen.
Quellen
(1) mhplus Krankenkasse/SDK Süddeutsche Krankenversicherung, Studie „Gesundes Homeoffice“ 2020, befragt Mitte April 2020
(2) afz …– allgemeine fleischer zeitung 29/2020; nu3
(3) 1.000 Menschen zu ihrem Ernährungsverhalten während der Corona-Pandemie; Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ) an der Technischen Universität München (TUM) und die Medizinische Fakultät der Universität München (LMU), 2020
(4) Studie D21-Digital-Index 2020/2021 der Initiative D21, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und durchgeführt von Kantar mit 1.154 Befragten; 2020
(5) Hans-Böckler-Stiftung, November 2020
(6) Bericht zur Anatomie der Arbeit 2021 von Asana mit 13.000 Wissensarbeitern weltweit und mehr als 2000 in Deutschland; 2021